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Geb.: 14. 9.1941 in Amberg
© Lissy Mitterwallner
Namensvarianten: Hans-Eckhard Henscheid; Hans Mentz, Hans Eckhard Sepp

Eckhard Henscheid

Eckhard Henscheid wird als Sohn eines Bundesbahnbeamten in Amberg geboren. Von 1951 bis 1960 besucht er die dortige Oberrealschule, seit 1960 studiert er in München Germanistik und Zeitungswissenschaften. Parallel zum Studium sammelt er erste journalistische Erfahrungen bei der Amberger Kreisausgabe der Mittelbayerischen Zeitung; mit einer Arbeit über Gottfried Keller schließt er es 1967 erfolgreich ab. Unter dem Pseudonym „Hans Eckhard Sepp“ erscheint sein Jugendroman Im Kreis im Selbstverlag. Nach einem Volontariat in Regensburg tritt Eckhard Henscheid im Oktober 1969 der Frankfurter Redaktion der damaligen satirischen deutschen Monatszeitschrift Pardon bei und arbeitet nebenbei auch für zahlreiche Rundfunkanstalten und Zeitungen bzw. Zeitschriften (u.a. Frankfurter Rundschau, FAZ, Die Zeit, Die Welt, IG Metall-Zeitung, Capital, Merkur, Rheinischer Merkur, Pflasterstrand, Weltwoche, konkret, Playboy, Lui, Stuttgarter Zeitung, Szene-Hamburg, Der Rabe, die horen, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt). 1979 gehört er zu den Gründern der satirischen Monatsschrift Titanic, in deren Umfeld die Neue Frankfurter Schule entsteht, Künstler um Friedrich Karl Waechter, F. W. Bernstein und Robert Gernhardt, die sich in satirischer Weise mit der sozialphilosophischen Frankfurter Schule um Max Horkheimer und Theodor W. Adorno auseinandersetzen.

Einem breiteren Lesepublikum bekannt wird Henscheid mit seinem autobiographisch gefärbten, komischen Romanwerk „Trilogie des laufenden Schwachsinns“, das aus dem historischen Gegenwartsroman Die Vollidioten (1973), dem humoristisch-satirischen Provinzroman Geht in Ordnung – sowieso – – genau – – – (1977) sowie aus Die Mätresse des Bischofs (1978) besteht – letztere wird auch Bestandteil seiner „Marien-Trilogie“, die sich aus der mephistophelischen Investigationsfabel Dolce Madonna Bionda (1983) und der Novelle Maria Schnee. Eine Idylle (1988) zusammensetzt. Die Beschreibungen trivialster Erlebnisse und Verwicklungen, worin der Ich-Erzähler z.B. einer Gruppe von Neurasthenikern, Unkonsolidierten und Rindviechern durch eine Journalisten- und Lebenskünstlerszene der 70er Jahre folgt (Die Vollidioten) oder von zwei Schwestern, dem ANO-Teppichladen sowie dem Heimgang des Alfred Leobold berichtet (Geht in Ordnung – sowieso – – genau – – –), sind im Stil der Realisten des 19. Jahrhunderts geschrieben und verhelfen Henscheid dazu, die Sinnleere und den Stumpfsinn des Alltags auf ebenso befremdliche wie komisch vergnügliche Weise vor Augen zu führen. Das Entleihen, Gebrauchen und Weiterentwickeln tradierter Tonfälle – u.a. Dostojewskij, Svevo, Kafka – weist den Epiker Henscheid zudem als postmodernen Autor aus.

Zu seinem umfangreichen Werk gehören neben Romanen eine Reihe von Erzählungen, Idyllen, Märchen, Anekdoten, Satiren, Lyrik, Nonsens-Dichtung, aber auch literarische und musikwissenschaftliche Essays, Vorlagen für Dramen, Hör- und Fernsehspiele, Fußball-Feuilletons, Literatur- und Kunstkritiken, Reportagen sowie Glossen und Polemiken. Dabei verknüpft Henscheid eigenständige sprachliche Virtuosität mit Motiven aus der Romantik und dem gesellschaftskritischen Impetus der Frankfurter Schule. In seiner Bibliografie tummeln sich u.v.a. das sprachkritische Handwörterbuch Dummdeutsch (1985), eine eigenwillige Fortsetzung von Kafkas Amerika-Roman, Rossmann, Rossmann ... Drei Kafka-Geschichten (1982), oder die animalisch-theologische Grundsatzbetrachtung Welche Tiere und warum das Himmelreich erlangen können (1995); ferner liegen unautorisierte biografische Werke über Helmut Kohl und den Bäderkönig Zwick vor.

Nicht zimperlich in der Beurteilung zeitgenössischer Schriftsteller-Kollegen, erregt Henscheid 1991 mit einer Polemik den Unmut von Heinrich Bölls Sohn René. Seine Attacke gegen Heinrich Böll, den er trotz Lektüre-Empfehlung als „steindummen, talentfreien Autor“ bezeichnet, wird von den Gerichten partiell als Verbalinjurie eingestuft, seine Klage gegen die von René Böll erwirkte Schwärzung beanstandeter Passagen vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt mit dem Beschluss, Henscheid habe mit seiner Schmähkritik Böll in dessen Menschenwürde verletzt. Auch mit dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki gerät er seit 1977 immer wieder aneinander. In der Diskussion um den Schlüsselroman Tod eines Kritikers (2002) von Martin Walser gibt Henscheid ein Interview in der Jungen Freiheit und verteidigt Walser (neben Jürgen W. Möllemann) gegen den Vorwurf des Antisemitismus. In seinem neuen Buch Dostojewskis Gelächter. Die Entdeckung eines Großhumoristen (2014) beleuchtet Henscheid „den Russen Fjodor Dostojewski von einer bisher vernachlässigten Seite: als Großhumoristen“ (Harald Raab in der MZ).

Im Juni 2000 ist Eckhard Henscheid Poetik-Dozent an der Universität Heidelberg, ein Jahr darauf in Klagenfurt, 2007 dann in Göttingen. 2009 wird ihm für sein Lebenswerk der Jean-Paul-Preis verliehen. 2018 wird Henscheid mit dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet.

Seit Anfang Juli 2014 ist ein Frankfurter Szenelokal (Stadtteil Bornheim, Mainkurstr. 27) nach dem Dichter benannt, die Festrede hält der Ex-Chefredakteur der Titanic Oliver Maria Schmitt.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Henscheid, Eckhard. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000015707, (01.11.2011).

Meid, Volker (20062): Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 17664). Stuttgart, S. 401f.

Moser, Dietz-Rüdiger (Hg.) (1997): Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. Bd. 1. München, S. 504-506.

Schmitt, Oliver Maria (2001): Die schärfsten Kritiker der Elche. Die Neue Frankfurter Schule in Wort und Strich und Bild. Alexander Fest Verlag, Berlin.

Wiedemann, Fritz (Hg.) (1993): Überall brennt ein schönes Licht. Literaten und Literatur aus Ostbayern. Passavia Verlag, Passau, S. 89-105.


Externe Links:

Literatur von Eckhard Henscheid im BVB

Literatur über Eckhard Henscheid im BVB

Parodien von Eckhard Henscheid

Von Frankfurt nach Freiburg

Youtube-Video zu Eckhard Henscheid

Schlagwort Eckhard Henscheid in Zeit Online

Franz Kafka